„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ schrieb einst Bertolt Brecht in seinem Gedicht „An die Nachgeborenen“ aus dem Jahr 1939. Und obwohl das Gedicht bereits 85 Jahre alt ist, lässt sich der Satz noch sehr gut auf die heutige Zeit übertragen. Wir leben in einer Zeit, in der rechtsradikale und rechtsextreme Kräfte an die Macht gelangen und anstreben, die Demokratie von innen auszuhöhlen. Umso wichtiger ist es mir, für diese einzustehen. Ich verfolge das politische Geschehen einerseits mit großem Interesse, andererseits aber auch mit großer Sorge. Genau das ist meine größte Motivation.
Vom 12. bis zum 15. Oktober 2024 habe ich deshalb mit großem Enthusiasmus am Planspiel „Jugend und Parlament“ des Deutschen Bundestags teilgenommen.
Aber wie lief das Planspiel nun ab? Welche Aufgaben hatte ich als fiktive Bundestagsabgeordnete und welchen Einfluss haben politische Entscheidungsprozesse auf das Miteinander?
Erstmals nach vierjähriger Unterbrechung durch die Corona-Pandemie konnte in diesem Jahr das Planspiel „Jugend und Parlament“ wieder stattfinden, bei welchem Jugendliche zwischen 17 und 20 Jahren für vier Tage in die Rolle eines fiktiven Abgeordneten schlüpfen und die Gesetzgebungsprozesse am eigenen Leib erleben können. Voraussetzung dafür war die erfolgreiche Bewerbung bei einem Mitglied des Bundestags. Ich bin sehr dankbar, den Abgeordneten Johannes Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) mit meinem Bewerbungsschreiben überzeugt zu haben und von ihm für das Planspiel nominiert worden zu sein.
Einige Tage vor der Veranstaltung bekam ich folgende Informationen: Es gibt drei fiktive Parteien, nämlich die Gerechtigkeitspartei (GP), die Partei für Engagement und Verantwortung (PEV), welche gemeinsam als Koalition die Regierung stellen und schließlich die Dritten im Bunde, die Bewahrungspartei (BP) als Opposition. Wenig später erhielt ich meine Charakterbeschreibung: Mein selbstgewählter Name ist Monika Feick, 55 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Dorsten, lebe ich mittlerweile in zweiter Ehe mit meiner Familie in Oldenburg, Niedersachsen. In meinem Geburtsort absolvierte ich die Lehre zur Tischlerin. Nach der Meisterprüfung und wenig später der Scheidung von meinem ersten Ehemann, machte ich mich in Oldenburg mit einem eigenen Baustoffhandel selbstständig. Die Firma, in der ich nun einen Geschäftsführer beschäftige, hat aktuell zwölf Angestellte. Geprägt durch meinen Beruf im Handwerk gelang ich zur Gerechtigkeitspartei. Nach meinem Umzug nach Oldenburg wurde ich schnell zu einer der wichtigsten Kräfte auf lokaler Ebene. Ich wurde als Nachfolgerin eines langjährigen Bundestagsabgeordneten nominiert und konnte bei der Bundestagswahl vor drei Jahren erstmals in den Bundestag einziehen.
Unsere Aufgabe für die bevorstehenden vier Tage, war es gemeinsam Gesetzesentwürfe zu analysieren und mögliche Änderungsantrage zu erarbeiten, welche schließlich im Bundestag abgestimmt wurden. So habe ich mich beispielsweise als Mitglied des Ausschusses für die Umwelt mit einem Gesetzesentwurf beschäftigt, mit dem sowohl private Haushalte, als auch öffentliche Institutionen und Firmen verpflichtet werden, auf ihren Dächern Solarzellen zu installieren. Dabei sind wir in unserer Arbeitsgruppe und im Ausschuss auf einige Schwachstellen in dem, uns vorgelegten Gesetzestext gestoßen, die es zu verbessern galt. So haben wir beispielsweise die Frist, ab der das Gesetz in Kraft treten soll für Bestandsbauten vom 01.01.2026 auf den 01.07.2027 verschoben, um in dieser Zeit die Möglichkeit zu haben die Forschung an Photovoltaikanlagen zu fördern und zu subventionieren. Außerdem haben wir uns Gedanken um Ausnahmeregelungen gemacht, welche es Unternehmen und Eigentümern erlauben, bei unmöglicher wirtschaftlicher Durchführung, von der Pflicht entbunden zu werden. Des Weiteren wurden Gesetze zu den Themen „ausländische Investitionen“, der Klarnamenpflicht für Deutschland und dem Wahlrecht für Unionsbürger*innen auf Bundesebene besprochen. Im Laufe des Arbeitsprozesses wurde mir zunehmend klarer, wie kompliziert das Gesetzgebungsverfahren aussehen kann und wie viele leidige und intensive Diskussionen sowohl innerhalb der Fraktion, als auch in den Ausschüssen und zwischen den Parteien dazu gehören.
Während des Planspiels hatte ich außerdem das große Privileg, Johannes Wagner in seinem Abgeordnetenbüro zu besuchen und ihn, sowie sein Team besser kennenzulernen. Hier bekam ich einen weiteren spannenden Blick hinter die Kulissen und in das Leben eines Bundestagsabgeordneten.
Den Höhepunkt des Planspiels und außerdem einen Realitätscheck bildete für uns, die wir ja nur fiktive Politiker auf Zeit waren, die Plenardebatte mit den acht realen Abgeordneten Dr. Rolf Müntenich (SPD), Dr. Hendrik Hoppenstedt /CDU/CSU), Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen), Ria Schröder (FDP), Dr. Alice Weidel (AfD), Dorothee Bär (CDU/CSU), Heidi Reichinnek (Gruppe Die Linke) und Klaus Ernst (Gruppe BSW). Unter der Moderation von Markus Preiß, dem Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, hatten wir die Möglichkeit, diese Kandidaten über ihre Erfahrungen in politischen Entscheidungsprozessen, das Miteinander innerhalb und unter den Parteien und auch über ihre eigene Work-Life-Balance zu befragen, ohne dabei jedoch auf deren persönliche politische Überzeugung eingehen zu dürfen.
Die Teilnahme an diesem Planspiel empfand ich als Privileg. Es gab mir die Möglichkeit wertvolle Erfahrungen zu sammeln. In so herausfordernden Zeiten ist es mir, als Jugendliche wichtiger denn je, meine Stimme zu nutzen. Zu oft werden junge Menschen von der Politik übersehen. So geht es hier schließlich um nichts Geringeres als unsere Zukunft. Mein Appell an alle Jugendlichen lautet also: Bildet euch politisch! Erhebt eure Stimmen! Tretet für euch und unsere Generation ein!
Magdalena Pittroff, 11a