„Sackgasse Extremismus – bitte wenden!“
von Barbara Bornschlegel (Kommentare: 0)
Das Frankenwaldgymnasium beeindruckt mit seiner Ausstellung „Sackgasse Extremismus – bitte wenden!“. Schulen aus dem ganzen Landkreis können sich für eine Führung anmelden.
Kronach - Es ist eine bewegende Ausstellung, die derzeit im Kronacher Schulzentrum aufgebaut ist. Die „Mut-Macher“ des Frankenwald-Gymnasiums (FWG) entwickelten - in Kooperation mit der Kolpingsfamilie Kronach - eine Ausstellung mit interaktiven Elementen zum Thema „Extremismus“. Schwerpunkte sind die Phänomene Rechtextremismus, Linksextremismus und die Identitäre Bewegung. Aufbereitet für die Zielgruppe werden diese anhand klassischer Ausstellungstafeln, Hör- und Videostationen sowie Multimedia-Stationen, die die Wahrnehmung schärfen und für die damit verbundenen Gefahren sensibilisieren.
„Leider musste die Ausstellung kurz nach ihrer Eröffnung mit dem ersten Lockdown Mitte März 2020 eingelagert werden“, bedauert Matthias Simon. Der Religionslehrer zeichnet zusammen mit den Lehrkräften Katharina Trapper, Kirsten Uhthoff und Matthias Schneider seit vielen Jahren für die Betreuung der „Mut-Macher“ verantwortlich. Zugleich vertritt er auch die Kolpingsfamilie Kronach als Kooperationspartner des Schulprojekts. Die Eröffnung am 30. Januar 2020 war auf sehr großes Interesse gestoßen, wobei man sogar den deutschlandweit bekannten Entertainer und gebürtigen US-Amerikaner Ron Williams als Schirmherr gewinnen konnte. Nunmehr wurde die Schau wieder aufgebaut, um diese erneut zugänglich zu machen. Nachdem die Mittelschule aufgrund der Generalsanierung ausgelagert ist, nutzt man hierfür einen leerstehenden Raum in deren Trakt. Schulen aus dem gesamten Landkreis können sich ab sofort für eine doppelstündige Führung mit den „Mut-Machern“ anmelden. Da einige aus den jüngeren Jahrgangsstufen an der Entstehung nicht mitgewirkt hatten, wurden diese nunmehr von den älteren Mitgliedern eingeführt. „Wir haben aktuell rund 60 Mut-Macher und damit so viele wie nie zuvor – und dass, obwohl einige bereits die Schule nach dem Abitur verlassen haben“, zeigt sich Matthias Simon stolz.
„Jetzt greifen wir den Ball wieder auf“, freute sich der sichtlich beeindruckte Schulleiter Harald Weichert. Insgesamt drei Schulschließungen später sei das Thema leider so aktuell wie eh und je. Dem neuen „Führungspersonal“ dankte er für die Übernahme dieser so wichtigen Aufgabe. Dies sei mitten in der vierten Corona-Welle alles andere als selbstverständlich. „Ich wünsche mir, dass der Ball nicht nur aufgenommen, sondern weitergespielt wird“, bekundete der Oberstudiendirektor die Hoffnung auf viele interessierte Besucher. Nachdem die als Wanderausstellung konzipierte Schau die nächste Zeit zur Besichtigung am Schulzentrum verbleibt, soll sie später an verschiedenen Orten zunächst in Kronach gezeigt werden und danach an Schulen in ganz Oberfranken.
Mit viel Herzblut stellten die Mut-Macher Jonathan, Philipp, Mette, Eva, Jonas und Fabian der neuen „Generation“ die jeweiligen Stationen vor. Hintergrund ist der, dass das FWG seit über zehn Jahren eine offizielle „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist und sich in vielfältiger Art und Weise gegen Hass und Ausgrenzung an der Schule und darüber hinaus einsetzt. Leider habe das Thema eher noch an Bedeutung gewonnen; rutschten doch nach wie vor viele gerade auch jüngere Leute in Extreme ab. Insgesamt stecke in der Ausstellung einschließlich Vorarbeiten, dem Sammeln von Informationen bis zur Konzeption und dem vom ehemaligen Schüler Raphael Zwosta übernommenen Layout ein enormer Arbeits- und Zeitaufwand von rund zwei Jahren. Die Mut-Macher hatten unter sich die einzelnen Bereiche in Arbeitsgruppen aufgeteilt. Aufgebaut ist die Schau unter dem Symbol eines Straßenschilds, was sich auch in der Namensgebung „bitte wenden!“ widerspiegelt. „Wir wollten damit ausdrücken, dass man beim Extremismus in eine gefährliche Sackgasse gerät, in der man den Weg nicht weitergehen, aber doch zurückfinden kann“, verdeutlicht Eva.
Der sehr aufwändig gestalteten Ausstellung sieht man die in ihr investierte Schaffenszeit voller Kreativität und inhaltlicher Auseinandersetzung deutlich an. Das beste Mittel, um nicht auf den engstirnigen Weg des Extremismus zu geraten, ist Information und Wissen. Aufbereitet werden die Erscheinungsformen bzw. Merkmale des Rechts- und Linksextremismus - neben den informativen Ausstellungstafeln - gerade auch durch interaktive Stationen bzw. Hörstationen. Dabei gilt es beispielweise, an einem Kleiderständer mit einem Symbol bedruckte Kleidungsstücke nach der „Gesinnung“ links oder rechts einzuordnen. Gleiches gilt für Erkennungsmerkmale, die nach ihrer politischen Ausrichtung sortiert werden sollen. Zu hören ist auch „einschlägige“ Musik, während der Schulungs- und Lehrfilm „RADIKAL“ die Geschichte von Simon erzählt, der mit seiner Familie in sozial schwierigen Verhältnissen lebt. Ausgehend von einem Streit wegen einer schlechten Mathe-Klausur stellt der Kurzfilm unterschiedliche Szenarien vor, in denen sich Simon dem Linksextremismus, der rechtsextremen Szene und dem Salafismus zuwendet. Sehr beeindruckend auf den Schautafeln ist das schonungslos ehrliche Interview mit einem Aussteiger.
An der Projektfinanzierung beteiligten sich - neben der KOINOR-Hans-Müller Stiftung und der Reinhard und Maria Ultsch-Stiftung - auch die Sparkasse Kulmbach-Kronach, die Schreinerei Stöckert, der Steinmetzbetrieb Eduard Gehring sowie Jörg Detsch. Von öffentlicher Seite wurden die Mut-Macher aus dem Förderprogramm „Demokratie leben“ und dem LEADER-Programm des Landkreises Kronach unterstützt. hs
Führungen: Termine für doppelstündige Führungen können telefonisch im Sekretariat des Frankenwald-Gymnasiums unter der Tel.-Nr. 09261/62120 vereinbart werden. hs
mit freundlicher Genehmigung von Heike Schülein