Demokratie macht am FWG Schule
von Barbara Bornschlegel (Kommentare: 0)
Die Klasse 10 b des Frankenwald-Gymnasiums erprobte sich als Parlamentarier. Ziel war es, ein Umweltgesetz für Kronach zu erarbeiten – und das war alles andere als einfach!
Kronach. Eine Glocke tönt am Dienstagnachmittag durch das zweite Obergeschoss des Frankenwald-Gymnasiums. Das ungewöhnliche Geräusch signalisiert den Schüler-Abgeordneten, sich im Plenum zusammenzufinden. Die Klasse 10b hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Basis der Bundestagswahlprogramme der Parteien ein Umweltgesetz für Kronach zu schreiben: Ein wahrlich ambitioniertes Unterfangen!
Das länger angelegte Klassenprojekt begann bereits vor den Herbstferien. Eine Wahlbenachrichtigung informierte die zukünftigen Wähler darüber, ihr eigenes Parlament zu wählen. Zentral dabei sollte nicht das Gesamtprogramm der Partei sein, sondern vor allem deren Stellung zu Fragen der Umwelt und des Klimas. Am Tag der Wahl war die Stimmung im Klassenzimmer angespannt. Zwischen dem Sozialkunde-Unterricht wurde ein Wahllokal eingerichtet, ein Wahlvorstand gebildet und eine Wahl durchgeführt. Während Studienrat Tobias Pohl über die Grundlagen der Demokratie informierte, holten sich die Schüler mit ihrer Wahlbenachrichtigung und ihrem Personalausweis einen Stimmzettel, wählten und merkten, dass - zwischen den Ausführungen zur Demokratie - die Demokratie selbst Einzug hielt.
Das Wahlergebnis ist fast schon eine kleine Sensation: Die GRÜNEN gewinnen die Wahl vor der FDP. „Das habe ich nicht erwartet!“, meinte eine Schülerin baff, als die GRÜNEN 30,7 % der Stimmen erhielten: Ein frischer Wind zwischen Kreidestaub und Digitalisierung; fast schon, als revoltiere die Jugend gegen das etablierte Wahlverhalten der älteren Generation! Abgeschlagen auf Platz drei und vier landeten die SPD und die CSU. Nach der Wahl ist vor dem Plenum, das auf Basis des Wahlergebnisses von der Klasse bestellt wurde. Auf einmal fühlte man Verantwortung. „Natürlich ist das nur die Simulation eines Parlamentsbetriebs!“, bemerkte ein Schüler: „Aber jetzt bin ich für einen Nachmittag Abgeordneter.“ Jetzt müsse man sich nicht nur darüber informieren, was die eigene Fraktion bezüglich des Klimas möchte, sondern das große Ganze sehen. „Damit es für die Schüler überschaubar bleibt, legt das Parlament in dem Projekt den Fokus auf den Landkreis Kronach. Allein die Fragen, die sich Kronach bezüglich einer gerechten und sinnvollen Klima- und Umweltpolitik entgegensieht, fordern die Jungparlamentarier genug heraus!“, zeige sich Tobias Pohl sicher.
An einem typischen Novembertag trat das Parlament der Jungabgeordneten dann für einen Nachmittag zusammen: Störende Tische wurden nach hinten geschoben, die Fraktionen auf Basis des Wahlergebnisses angeordnet, in der Mitte ein Rednerpult. Die Schüler wandelten sich zu Abgeordneten, wie sie in ihren Fraktionen Platz nehmen, einen Vorsitzenden bestimmen und mit Parlamentarismus in Kleinen beginnen. „Man muss jetzt ein Gesetz schreiben, das die Weichen für die Zukunft stellt; die möglichen Horrorszenarien von morgen zu verhindern weiß!“, verinnerlichte die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN bei der Eröffnung der Debatte. Es gehe darum, den Landkreis Kronach umweltpolitisch gänzlich neu aufzustellen.
Gespannt hörten die jungen Parlamentarier zu. Bereits mit der zweiten Rede wurden sie mutiger, meldeten Zwischenfragen an. „Natürlich tritt jeder hier in diesem Plenum für eine neue Umweltpolitik ein. Sie muss aber machbar und finanzierbar, durch die Unternehmen stemmbar sein!“, appellierte die Fraktionsvorsitzende der FDP. Mit profundem Wissen machte sie darauf aufmerksam, dass jedes umweltpolitische Bestreben darauf abgestimmt sein muss, was hier im Landkreis möglich ist. „Wir können doch nicht Teile des Frankenwaldes roden, um Windräder aufzustellen!“ Und urplötzlich das Klatschen ihrer Fraktion, gepaart mit dem widerwilligen Gemurmel anderer Fraktionen. Jeder Redner stellte nicht nur die parteipolitischen Präferenzen vor, sondern sich auch den Zwischenfragen; konterte Zwischenrufe einzelner Abgeordneter. „Der Eifer der Debatte ist grandios“, würdigte der Projektleiter. Die Schüler realisierten langsam, wie schwierig es sei, ein Gesetz zu verfassen – und wenn es „nur“ für den Landkreis ist.
Die Fraktionen zogen sich zurück und berieten, was genau wie in einem möglichen Gesetz stehen soll. Unterbrochen wurden die Prozesse der politischen Praxis, das Abwägen von Positionen, das Gewichten von Inhalten durch parteitaktische Zusammentreffen und Verabredungen. Es ging um Mehrheiten. Die SPD-Fraktion suchte das Gespräch mit den GRÜNEN; die FDP mit der Union. Es begann das parteipolitische Taktieren – Ein anstrengender, herausfordernder Prozess.
Die Glocke des Sitzungsleiters tönt durch den zweiten Stock. Die Abgeordneten kommen zur letzten Aussprache zusammen. Trotz Müdigkeit wurde noch einmal energisch gerungen. „Wir haben festgestellt, dass wir mit der SPD und den LINKEN deutlich größere Schnittmengen haben“, verdeutlicht die zweite Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN. Man könne derzeit mit der FDP nicht auf einen Nenner kommen, da sich diese bezüglich ihrer Umweltpolitik nicht einig sei. Die Union überlegt sogar am Rednerpult, ob man das Umweltprogramm der GRÜNEN akzeptiere, nicht sogar mit den LINKEN zusammenarbeite, zumindest bei diesem Gesetzesvorhaben. Eine sichtliche Überraschung für alle! In den Fraktionen mault es.
Es ist kein Gesetz entstanden. Darum ging es bei dem Projekt auch nicht - und der frische Wind des Parlamentarismus? Er wurde nicht vertrieben. Vielmehr bleibt die Erfahrung, das energische, emotionale Ringen um ein Gesetz; der Gedanke, noch mehr Parlamentarismus zwischen Klassenräumen machen zu müssen: Demokratie lernen heißt eben Demokratie machen!
mit freundlicher Genehmigung von Heike Schülein